Kolumba
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»Abseits liegt ein schwarzer Fußball. Im Kreis stehen 13 Tänzer. Ihre Bewegungen sind minimalistisch. Mal eine Handdrehung, mal verändern sich die Kopfneigung, das Standmotiv. Es gibt fließende und ruckartige Verläufe, alles geschieht weitgehend fast synchron, die Kreisformation wird gehalten. Bis nach einer halben Stunde der Kreis explosionsartig gesprengt wird, alle auseinanderstieben. Bis auf einen Tänzer, der wilde Pirouetten und gestische Bewegungen vollführt und dann den Ball gekonnt in die Zuschauer pfeffert. | Das ist nur eine willkürliche Episode aus „Dark Red“, einer Choreografie, die die Belgierin Anna Teresa de Keersmaeker eigens für ihre Compagnie „Rosas“ und das Kölner Museum Kolumba entwickelt hat und bis Ende der Woche täglich von 12 bis 17 Uhr fortlaufend präsentiert. Der Besucher kann wann immer er will einsteigen und aussteigen, nach eigenem Plan durch den zweiten Stock des leeren Museums laufen, dabei den gehauchten, pulsierenden, atmenden Tönen der Querflöte lauschen, die aus einem Eckturm des Museums erklingen. Eine Komposition von Salvatore Sciarrino. | „Tanz ist Bewegung in Zeit und Raum“, diese klare Definition erweitert die Choreografin um einen Dialog mit Architektur, Musik und Kunst. Wobei Peter Zumthors fantastische Architektur zusammen mit den Tänzern die Hauptrolle spielt. Man kann sich gar nicht sattsehen an den Proportionen der Räume, der Rolle des natürlichen Lichts, dem betörenden Umgang mit Materialien, sei es der helle Jurakalk oder Terrazzo, die mit den Beton- und Lehmputzwänden korrespondieren, seien es die wunderbaren Handläufe aus Holz. | Keersmaeker, die mit ihren Tanzprojekten ein häufiger Gast im Rheinland ist, war ganz hingerissen von Kolumbas Strenge und Nüchternheit, als sie das Museum erstmals besuchte, von der großen Form und den vielen Details, vom Grundriss. Als dann das Projekt der Choreografin in Kooperation mit Kolumba und der Kuratorin Barbara von Flüe sowie tanz.köln und der Kulturmanagerin Hanna Koller Gestalt annahm, wuchs die Rolle der Architektur: „Man kann dieses Gebäude lesen“, sagt sie, „man braucht Zeit, um sich diesem Raum zu nähern, ihn zu atmen“. Nichts anderes machen ihre Tänzer in dem Stück „Dark Red“, Keersmaekers erste Choreografie, die sie exklusiv für ein Museum konzipiert hat. | Eine besondere Choreografie hat sich auch Kolumba-Chef Stefan Kraus mit seinem Team einfallen lassen, um das Publikum auf den Tanz einzustimmen. In einer sparsam bestückten Schau in der ersten Etage zeigt er eine Reihe von Arbeiten, die Bewegung im Licht sowie starke Emotionen thematisieren. Die Auswahl hat Keersmaeker aus den Beständen des Museums zusammengestellt. Jan von Ijkens Video eines Vogelschwarms „The art of flying“ gehört da ebenso dazu wie die irritierende Dreifaltigkeit aus dem 17. Jahrhundert, ein Heiliger mit drei Nasen, drei Mündern und vier Augen als Verkörperung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. | Weitere Exponate: Die Ikone mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts, Simon Trogers Statuette des Heiligen Michael im Kampf mit dem Teufel, die ein eindrucksvolles Schattenspiel an die Wand wirft, oder ein abstraktes Werk von Josef Albers, „grey and green against large brown“. Die aufschlussreiche Auswahl der Choreografin kulminiert in einem eindringlichen Kommentar: Man sieht in einem nahezu dunklen Raum den Schäden aus der Mappe „Der Krieg“ von Otto Dix, dazu erklingt Paul McCartneys Beatles-Song „Blackbird“, der gleichermaßen Unruhen in den USA im Frühjahr 1968 sowie die Reaktionen der Bürgerrechtsbewegung zum Inhalt hat, wie die Musik Bachs, dessen Bourrée in e-Moll McCartney inspirierte. | Während Keersmaeker hier einige Hinweise gibt, die sie um eigene Zeichnungen erweitert, die die Geometrische Struktur ihrer Choreografien veranschaulichen, wird sie im zweiten Stock von Kolumba noch deutlicher. Da liegen unter bunten Tüchern die Reproduktionen von zwölf Aposteln von El Greco aus Toledo. Sowohl die Tücher als auch die manierierten Handhaltungen, Körperdrehungen und Kopfneigungen, die Gesten und Affekte, wird man später bei den Tänzern wiederentdecken. | Die Choreografie „Dark Red“ ist die Eröffnung der Jahresausstellung von Kolumba. Bis zum 4. November kommen wöchentlich Beiträge dazu, sodass sich das Haus allmählich mit Kunst füllt. Auch weitere Aktivitäten zum Thema Tanz sind geplant. Die äußerst gelungene Ouvertüre macht neugierig auf den Rest. (Thomas Kliemann, Der mit der Architektur tanzt. Museum Kolumba eröffnet seine Jahresausstellung mit Anna Teresa de Keersmaeker und KunstGeneral-Anzeiger, 15.9.2020)

»Die "Vier Gekrönten" haben das Haus verlassen, auch das Elfenbeinkreuz und Lochners Veilchenmadonna fehlen. Kunstraub in Kolumba? Mitnichten. Vielmehr feiert das Kölner Diözesanmuseum (Kolumbastraße 4) seinen zehnten Geburtstag vom 19. bis 21. August bewusst im (fast) leeren Gebäude. Direktor Stefan Kraus hofft, "dass sich viele Besucher an das erinnern, was hier in zehn Jahren passiert ist, dass somit vor dem geistigen Auge Schicht für Schicht ein imaginäres Museum entsteht". Dieses Privileg ist sonst ihm und seinen drei Mitkuratoren vorbehalten, "wenn wir nach dem Abbau der alten Jahresausstellung die neue Schau in die leeren Räume denken". Deren sanfter Sog wird nun besonders spürbar, denn mit viel Gefühl für rhythmische Harmonie hat Architekt Peter Zumthor hohe Turmräume, Kabinette und Säle komponiert, wobei letztere mit raffinertem Wandüberschneidungen Neugier auf den nächsten Raum wecken. "Die Entscheidung für den lichtgrauen Lehmputz an den Wänden war genau richtig", resümiert Kraus. Zwar sind Dübellöcher dezent sichtbar, doch muss eben nicht nach jeder Schau gestrichen werden. Das Team arbeitet stets mit dem puren Gebäude, ohne Zwischenwände, "und ich hoffe, dass jede Ausstellung zeigt, wie sehr wir dieses Haus lieben". Noch immer sucht man "für jedes Werk den besten Ort". Wobei ja nicht nur das Haus etliche Architekturpreise bekam. Als es 2013 vom Internationalen Kunstkritikerverband zum "Museum des Jahres" gekürt wurde, galt dies auch dem immer wieder aufregend neu arrangierten Zusammenspiel von sakraler und profaner, alter und zeitgenössischer Kunst. Kraus ist Kardinal Meisner dankbar. Für Kraus ist nicht die Zahl "von zuletzt stabil etwa 55 000 bis 60 000 Besuchern pro Jahr" entscheidend, "sondern welche Intensität wir ihnen bieten können". Auch aus Gesprächen weiß er, "dass hier schon mit den Mitteln eines Kunstmuseums Seelsorge stattfindet". Nach wie vor sei man Kardinal Meisner dankbar, "der natürlich erkannt hat, dass hier nicht jedes Werk seinem Kunstgeschmack entsprach, der jedoch uns Kuratoren vertraut hat". Kraus ist seit 26 Jahren im Diözesanmuseum tätig (seit 2008 als Direktor). Und er erinnert sich, dass zentrale moderne Stücke von Rebecca Horn, Richard Serra und vor allem Jannis Kounellis' "Tragedia Civile" in der Vorbereitungsphase der 90er Jahre erworben wurden. Heute ist der vom Erzbistum Köln bewilligte Ankaufsetat niedriger, doch in zehn Jahren Kolumba kamen auch mit Sponsorenhilfe etwa Michael Buthes documenta-Raum, der Heilig-Geist-Altar und Klangkunst von Bernhard Leitner hinzu. Der nachhaltige Umgang mit der Sammlung ist seit der Eröffnung am 14. 9. 2007 oberstes Gebot in diesem "Museum der Nachdenklichkeit" – nicht der Langeweile. Schon zur Hälfte der Jahresausstellung lädt man Künstler zu Interventionen ein. Überhaupt soll Kolumba "Werkstatt, Büro, Labor" sein, was sich auch im Jubiläumsprogramm spiegelt. Eric Hattan, Marek Poliks und Eva Kot'átková mit den mental behinderten Künstlern von KAT 18 bringen an drei Orten Leben ins ungewohnt kahle Interieur. Außen ist an der Westfassade scheinbar Christo tätig gewesen, doch die verhüllende Plane schützt tatsächlich die allzu durchfeuchtete Wand. "Das stört uns natürlich", sagt Stefan Kraus, doch die sorgfältige Prüfung der besten Lösung ist man dem besonderen Reiz des "Kolumba-Steins" schuldig. Innen freilich bleibt das nur 14 Köpfe zählende Team seiner Maxime treu: Nicht auf das zu schielen, was dem Publikum gefallen könnte, "sondern die Werke unserer Sammlung immer neu zum Klingen zu bringen". Und Poliks Raumschiff sieht man dabei durchaus als Ansporn zum Flug in neue Sphären.« (Hartmut Wilmes, Zauber der Leere, General-Anzeiger, 19.8.2017, Quelle: http://www.rundschau-online.de/28195330 ©2017)

»Sie sind wirklich nicht schön, die vier Kölner, die da im Halbkreis stehen, einander zugewandt oder ziemlich abweisend. Sie sind nicht schön, waren aber höchst bedeutsam und sind es wieder. „Die Vier Gekrönten“, eine Gruppe von jeweils rund 40 Zentimeter hohen, farbigen Sandsteinstauetten sind die Entdeckung der mittlerweile zehnten Jahresausstellung in Kolumba, dem Museum des Kölner Erzbistums. Denn nach sieben Jahren Restaurierung zeigen die um 1445 vermutlich von dem Kölner Bildhauer und Dombaumeister Konrad Kuyn geschaffenen Patrone der Steinmetze und Bildhauer endlich ihr wahres Gesicht. | In mühevoller Kleinarbeit wurden Verschmutzung und nachträgliche vereinheitlichende Farbschichten entfernt und wurde die originale Farbigkeit freigelegt. Eine Überraschung: Die Vier sind, dem Stand von Bauexperten und Spezialisten im Mittelalter angemessen, prächtig gekleidet, haben einen sehr lebendigen, frischen Teint und durchaus individuelle Gesichtszüge. Was sie zu Stichwortgebern der Jahresausstellung macht. Denn es geht um das Individuum. | Im Entree empfängt eine Armada bunter Spielzeugroboter den Besucher, was Kolumba-Chef Stefan Kraus gar nicht lustig findet, sondern als Metapher für eine Welt sieht, in der Roboter, künstliche Intelligenzen, Algorithmen und dergleichen mehr die Individualität verdrängen, die Freiheit einschränken. Es sei eine politische Ausstellung, meint er, die unter einer Fragestellung stehe: „Welches Gegenbild empfiehlt die Kunst von dem, was Menschsein heißt?“ Politik hin, Politik her, Kolumba demonstriert erneut große Klasse und belegt ihre originelle Sonderstellung im Konzert der Kunstmuseen. | Wobei die alte Kunst diesmal besonders begeistert. Nicht nur die wiederentdeckten Vier von der Dombaustelle setzen ein Ausrufezeichen, es sind vor allem die 25 Figuren aus dem Bogen des Petersportals vom Kölner Dom, die man so noch nicht gesehen hat. Sie haben die starre Ordnung und Hierarchie des Portals verlassen und sind im größten Raum von Kolumba so arrangiert wie in einzelnen, lockeren Gesprächsrunden. 1978 wurden diese Originale durch Kopien ersetzt und in der legendären Parler-Ausstellung im Museum Schnütgen präsentiert. Meisterwerke der Bildhauerkunst des späten 14. Jahrhunderts von Heinrich Parler und Kollegen: Auge in Auge kann man diese sehr individuellen Menschenstudien nun bewundern. Begeisternd auch eine vieräugige, alienhafte Dreifaltigkeit des Barock, die im Ostturm auf Chris Newmans eigenwillige Kopien etwa von Mark Rothko und Philip Guston treffen. | Newman ist einer von drei eingeladenen Künstlern, die die Schau bereichern. Kurt Benning breitet zum einen seine bizarre Recherche über das Leben und die Hinterlassenschaften eines Einzelgängers aus, zum anderen stellt er eine Auswahl seiner spannenden Videoporträts interessanter Zeitgenossen vor. Unbedingt sehenswert. Martin Assig schließlich zeigt 94 Blätter, die zwar Paul Klee gewidmet sind, jedoch mit eindringlichen symbolhaften Motiven und knappen Botschaften obsessiv um Assigs Innenwelt kreisen. | Verblüffende Parallelen tun sich auf zwischen Assigs Bildmeditationen und Andachtsbildchen vom Barock bis heute sowie der „Lauretanischen Litanei“, ein 56-teiliges Kupferstichwerk von 1781. Aus Zeit und Raum gefallen wirkt die „Cella mit Küchenbaum“ des Kölners Stefan Wewerka, eine witzige, verwinkelte Wohnlandschaft auf engstem Raum. | Die Ausstellung schwenkt mit diesem gebauten Traum wieder auf das Thema Individuum ein. Fast bis zur Decke breitet sich im Südturm ein kanonisches Tableau aus 71 Tellern von Bernhard Johannes Blume aus, Worte wie „Reine Vernunft“, „abstrakt“, „Seele“ und „Amen“ sind zu lesen. Gegenüber steht ein prächtiger Nürnberger Altar des 15. Jahrhunderts, der das Wertegefüge jener Zeit ikonografisch delikat in Bildern auffächert. | Zwei Höhepunkte dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung, die nur einen Schwachpunkt hat: Im Jahr, in dem Jannis Kounellis 80 wird, gerät dessen goldene Wand mit Hit und Mantel „Tragedia civile“ zur Tragödie. Denn Chris Newman verstellt sie vollständig mit einer Arbeit, die als Hommage gedacht ist. Grobes Foul, rote Karte!« (Thomas Kliemann, Entdeckungen nach Restaurierung, in: General-Anzeiger, Bonn, 14.9.2016)

»In der aktuellen Ausstellung des Kölner Museums Kolumba hängen zwei rote Bilder von Peter Tollens, die nicht nur 20 Jahre trennen, sondern auch die Gewissheit, dass Rot Rot ist. So wie es über hundert Nuancen von Weiß gibt und unzählige Beschaffenheiten von Schnee, ist auch die Farbbezeichnung in Tollens' Malerei eine vage Angelegenheit. Eine geradezu jugendliche Geste prägt das ältere Rot-Bild aus den 1980er Jahren, während das jüngere konzentrierter, komplexer, auch kontrollierter wirkt. Die kunstgaleriebonn setzt den in Kolumba begonnenen Dialog fort, indem sie das Spektrum auffächert, den im August 60 gewordenen Kölner Maler breit präsentiert. | Wobei die spannende Gegenüberstellung aus Kolumba fortgesetzt wird. Geste und eine gewisse - jugendliche - Unruhe treffen auf kompakte Aussage, der Glanz der mehr oder weniger pastos aufgetragenen Farbe ist einer eher stumpfen, bisweilen schrundigen Oberfläche aus kostbaren Farbpigmenten gewichen. Zur Farbdiskussion, die Tollens noch immer leidenschaftlich führt, ist neuerdings die intensivere Debatte über das Malmaterial gekommen. | Tollens freilich ist ein Maler, der sich derlei Überlegungen erfreulich unakademisch, vielmehr geradezu emotional hingibt. Ein gerade vollendetes Bild wie "Grüngraurosaorange" führt die genannten Farben spielerisch zusammen, wobei sich eine gleichsam vibrierende graue Farbmembran über das quirlige Treiben der Pigmente legt, ohne das pulsierende Mit- und Gegeneinander letztlich kaschieren zu können. Und zu wollen. | Die überaus anregende Tollens-Ausstellung wird um eine Facette bereichert. Es ist eine Premiere: Denn Tollens hat, was kaum bekannt ist, neben dem "offiziellen" abstrakten, mehr oder weniger monochromen Farbwerk ein privates Werk geschaffen, das nun erstmals in einer Ausstellung gezeigt wird. Tollens, der Naturfreak, wandert gerne, liebt die Natur, hat dieser mit herrlichen kleinen Landschaftsbildern ein Denkmal gesetzt. Parallel entstehen also Eifelansichten, "Hohe Acht" oder "Am Niederrhein" und Bilder wie "Mattblau" oder "Dunkelgrün-Permanent Rot Dunkel-Indisch Gelb". Wer vermutet, dass beide Werkkomplexe viel mehr miteinander zu tun haben, als es zunächst den Anschein hat, liegt richtig.« (Thomas Kliemann, Rotgefühl und Eifelblick. kunstgaleriebonn widmet dem Kölner Maler Peter Tollens eine Ausstellung, in: General-Anzeiger Bonn, 25.10.2014)

»Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, hat daraus eine bemerkenswerte Ausstellung macht, die das Thema vom vermeintlich trivialen Kistchen bis zum erhabenen Schrein, vom pragmatischen Produktdesign bis zur Hochkunst, vom Witz bis zum spirituellen Erlebnis ausbreitet. Man ist geübt darin: Das Museum Kolumba, das sich einmal im Jahr "häutet", die eigene Sammlung neu befragt und in der Regel bis zu 90 Prozent neue oder neu arrangierte Stücke präsentiert, hat sich 2011 der Liturgie, ein Jahr später der Eucharistie gewidmet und präsentiert jetzt eine glänzende Schau zum Thema Schrein und das Verborgene. Man muss bei dieser Ausstellung mit dem Höhepunkt beginnen, denn dieser Raum ist ein Ereignis, lohnt allein bereits den Besuch im Zumthor-Bau: Vier strahlende mittelalterliche Schreine, fein ziselierte, mit Ornamenten und Edelsteinen verzierte Reliquienbehälter in Haus- oder Truhenform, dominieren den Raum, an den Wänden hängen vier abstrakte Gemälde in Schwarz-, Grau- und Erdtönen, übersät von fein gestrichelten Bändern oder Streifen, die übereinander gestaffelt die Leinwand füllen und die Anmutung von weich fließendem Samt haben. Die 1937 in Kansas geborene Malerin Max Cole begegnet mit ihren faszinierenden Bildern vier Schreinen, Hauptstücken aus dem weltberühmten mittelalterlichen Kirchenschatz der Gemeinde St. Servatius in Siegburg. Dass die in der katholischen Kirche in der Tat existierende "Schreinskommission" die Reise dieser unschätzbar wertvollen Stücke ausnahmsweise erlaubte, ist der Restaurierung von St. Servatius und dem Renommee von Kolumba geschuldet. Seit Juni wird in Siegburg gebaut. Nun stehen der wunderbare Anno-Schrein (um 1183), ein Vorläufer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom, der Benignus-Schrein (um 1190), der Honoratus-Schrein (13. Jahrhundert) sowie der dem Apollinaris, Alexius und Wunibaldus gewidmete Schrein des Hermann von Aldendorp (1446) im Raum. Extrovertierter, strahlender Prunk und christliche Ikonografie des Mittelalters auf der einen Seite, Innerlichkeit, Konzentration und Kontemplation unserer Tage auf der anderen. Zwei Aspekte spiritueller Versenkung - und Verhüllung. Max Cole, die von der kunstgaleriebonn vertreten und immer wieder präsentiert wird, hat hier ihre erste Museumsausstellung in Deutschland, ab kommende Woche ist sie auch in der Kölner Kunststation St. Peter zu sehen. Alle Wege in Kolumba führen auf den Schrein-Raum zu. Ein Weg etwa verläuft über kunstvolle Kistchen, dem rostigen, gleichsam gesprengten "Sicherheitsschrank" von Felix Droese, Thomas Rentmeisters schokoladenbraunem geschlossenen Container mit Ventilator, Reliquienbehältern und und einem Apple-Monitor von 1990 bis zu einem Radio-Phono- "Schneewittchensarg" (Braun) von Dieter Rams und Kurt Bennings Videoarbeit "Hinterlassenschaft - Ein deutsches Erbe". Da wird mit monotoner Stimme das Inventar einer Wohnung heruntergelesen. Es ist das, was von der Existenz übrig bleibt. Ein anderer Weg folgt dem Strang der Malerei, fahndet auch dort nach dem Verborgenen, dem Irrationalen. Man trifft auf übellaunige Schweine - wohl die von Kirke verzauberten Gefährten des Odysseus -, die in Christa Nähers riesigem Bild einem Gehäuse gegenübersehen, das ein Schrein oder auch das Tor in die Unterwelt sein könnte. Ein Miniformat von Alexej von Jawlensky gibt Rätsel auf: Es könnte ein Gesicht darstellen oder auch den Ausblick in eine diffuse Landschaft. Das Bild verhält sich hier wie ein Schrein, es aktiviert die Fantasie, reizt zur Spekulation über das Verborgene. Mit Gerhard Altenbourg, Raimund Girke und Rudolf de Crignis bietet dieser Weg weitere Attraktionen. Er führt zu Stefan Lochners wunderbarer "Madonna mit dem Veilchen". Auch da lässt sich immer wieder Neues entdecken. Schließlich gibt es auch dort eine Zone, die dem Augen des Betrachters verborgen bleibt.« (Thomas Kliemann, Kunst trifft auf den Siegburger Kirchenschatz, General-Anzeiger Bonn, 14.9.2013)

»Ob denn im Umkehrschluss Liturgie auch Kunst sei, wurde Stefan Kraus vom Kolumba-Leitungsteam bei der Pressekonferenz gefragt. Schmunzeln. Das zu beantworten, werde die Ausstellung ein Jahr lang versuchen. Passend zum Titel hat man Paul Thek, einen der Stichwortgeber der documenta 5, die unter dem Oberbegriff "individuelle Mythologien" stand, in den Mittelpunkt gerückt. Seit Jahrzehnten schon verfolgt das Kölner Diözesanmuseum, das sich seit 2007 Kolumba nennt, das Werk dieses 1988 gestorbenen Künstlers. Das Haus besitzt die weltweit größte Sammlung von Thek-Werken. Flankiert von einem exzellent gemachten Bestandskatalog werden sie nun zum Großteil präsentiert. Nicht en bloc, sondern nach Art des Hauses im anregenden Dialog mit Zeitgenossen, jüngeren Künstlern, alter christlicher Kunst und Gerät aus dem sakralen Bereich. Theks blutige, aufgebrochene Leiber, die liegenden oder von der Decke an einem Tisch gefesselt hängenden "Schmerzensmänner", die reliquienhaften Stücke bieten sich geradezu an, mit Kruzifixen, Monstranzen und spätgotischen Heiligenbildern in einen Diskurs zu treten. Thek pflegte eine prozessuale Arbeitsweise. Viele Werke kann man sich noch heute eingebunden in Aktionen und Performances vorstellen. 1968 fügte sich etwa seine Installation "A Procession in Honour of Aesthetic Progress" zusammen, ein Ensemble aus potenziell tragbaren Gerätschaften, angelehnt an Erfahrungen, die der Amerikaner bei einem Festumzug in Sizilien machte: Christliche Prozession und Karnevals-Klamauk gehen hier ineinander über. Wenn das nicht nach Köln passt. Theks "Procession" ist im Armarium, der Schatzkammer, untergebracht, die sonst die goldenen Monstranzen beherbergt. Das durch Thek eingeführte Motiv der Prozession prägt die gesamte Jahres-Schau von Kolumba: Rebecca Horn etwa bewegt sich im Video mit ihren "Extensions", krallenartigen Fingerverlängerungen, Flügeln oder einem Konus auf dem Kopf; Jürgen Klauke fliegt in der Fotoserie "Daseinsrenovierung" durch die Luft, löst sich in einem gleißenden Lichtnebel auf. Die Prozession durch den immer wieder faszinierenden Zumthor-Bau, der einzig bei der Beleuchtung große Schwächen hat, führt zu etlichen Überraschungen jenseits von Theks breit gestreutem Werk: Da bilden ein gotischer Palmesel von St. Kolumba, ein rheinisches Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert, barocke Passionsfahnen und eine wunderbare frühe Klanginstallation von Manos Tsangaris (1982) ein spannendes Ensemble. Der Maler Herbert Falken ist mit drei Werkgruppen vertreten, darunter Studien zu Michelangelos Pietà Rondanini. Wie ein Fries legen sich die großen Blätter um das geistige Zentrum der Schau, die vergoldete Monstranz aus St. Kolumba (um 1400). Nicht weit davon entfernt: ein "Meatpiece" von Thek aus Wachs, ein großes, blutiges Stück Fleisch, auf dem sich Schmetterlinge niedergelassen haben. Man muss nicht jede Korrespondenz in dieser Schau verstehen. Höhepunkt ist sicherlich die Rauminstallation "Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit", Michael Buthes letzte große Arbeit. Bei der documenta IX (1992) war das Ensemble zu sehen. Seit kurzer Zeit gehört das mit spiritueller Kraft aufgeladene Werk des 1994 in Bad Godesberg gestorbenen Kölner Künstlers - 14 im Dunkeln schimmernde Kupferplatten mit figürlichen Gravuren und ein riesiger Leuchter mit zwei vergoldeten Holzskulpturen - dem Museum. Nicht ganz, wie man anmerkt, das Ensemble aus dem Nachlass ist noch nicht völlig abbezahlt. Der fehlende Financier wird sich sicherlich finden. Buthe allein ist schon den Besuch in Kolumba wert. Dort ist nun bereits zum sechsten Mal ein hochkarätiger, anregender und denkwürdiger Parcours gelungen.« (Thomas Kliemann, Das Motiv der Prozession prägt die Kölner Ausstellung, General-Anzeiger, Bonn, 15.9.2012)

»Der Kampf des Mannes gegen den kleinen weißen Quader scheint aussichtslos zu sein: Er wendet ihn, dreht ihn, versucht ihn schließlich zu verschlingen. Hektisch verwackelte Fotos dokumentieren das verzweifelte Ringen von Bernhard Johannes Blume mit dem Artefakt. Was der unlängst verstorbene Querdenker damit sagen wollte? Präzise formuliert er es in der Bilderstrecke. Damit's auch jeder begreift steht daneben: "Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar." Das Kölner Museum Kolumba hat Blumes kleine Arbeit gleich an den Anfang der neuen Ausstellung ins Treppenhaus gehängt: Sie soll zeigen, dass "denken", so der Titel der Schau, nicht bierernst sein muss. Einer schönen Tradition folgend schließt das Museum Anfang September zwei Wochen, um sich anschließen neu sortiert, verwandelt zu präsentieren. Das Motto der inzwischen 5. Verwandlung heißt also "denken". Das Thema wird in allen erdenklichen Facetten durchdekliniert, wobei gleich zu Beginn Monika Bartholomé im Video eine für Künstler fundamentale Frage stellt. Da zeichnet eine Hand. Folgt sie dem Denken oder befördert sie das Denken? Oder verarbeitet sie Wahrgenommenes parallel mit dem Denken? In einem grandiosen Parcours wühlt sich Kolumba ins Thema hinein, geht mit einem Zyklus von Rune Mields unter dem Oberbegriff "Steinzeitgeometrie" zu den Ursprüngen der Zeichen zurück, um sich dann dem weiten Feld christlicher Symbolik zu nähern und schließlich zu Zeichen-Systemen zu gelangen, die die Welt erklären. Eindrucksvolles Beispiel ist der aus Fragmenten bestehende Schmuckfußboden aus St. Pankratius in Oberpleis (13. Jahrhundert), der dem Menschen seinen Platz im christlich-antiken Kosmos zuweist. Nicht weit davon erzählt ein Blockbuch aus dem 15. Jahrhundert, das durch die Sammlung Renate König ins Haus kam, von der Kunst des Erinnerns. Hoch komplizierte Piktogramme erläutern in diesem Buch über die Kunst des Erinnerns, von dem nur noch zwei Exemplare auf der Welt existieren, Zusammenhänge der Evangelien. Ein hundert Jahre später gemaltes Werk führt die "Arma Christi", die Leidenswerkzeuge der Passion, in authentischer Größe vor. Kolumba bietet faszinierende Denkräume wie den Südturm, der das Personal aus einem prächtigen Heilig-Geist-Altar aus der Mitte des 15. Jahrhunderts mit Bernhard Leitners "RaumReflexion" (2010) konfrontiert, die mittels Parabolschüsseln Klänge in den Raum schießt und gleichsam in der Luft zerplatzen lässt. Es gibt auch Denktische: Der Komponist Manos Tsangaris wird seinen "Implodierenden Schreibtisch" während der gesamten Ausstellungsdauer mit Material bespielen, Kolumba-Architekt Peter Zumthor zeigt auf einem anderen Tisch Skizzen zur Raumabfolge des in diesem Jahr mit den NRW-Architekturpreis ausgezeichneten Hauses. Er behandelt Räume wie Skulpturen, spielt mit ihnen, lädt sie durch Farbe emotional auf. Nichts anderes tut das Team von Kolumba mit seinen Ausstellungen. Brillant gelungen ist die Platzierung von Dieter Kriegs sechsteiligem Zyklus mit Riesenformaten, die mit großer Geste leere Weingläser zeigen und "In der Leere ist ist nichts" Wort für Wort aufscheinen lassen. Wird hier - stotternd - die Leere hinterfragt, arbeitet ein anderer Raum mit der Fülle der Eindrücke. Jannis Kounellis' "Bürgerliche Tragödie" mit Blattgoldwand, Öllampe und Garderobenständer bietet den Hintergrund für ein Feld von Altärchen und Devotionalien, die die private Frömmigkeit beleuchten. Von Konrad Klaphecks "Kleinem Liebesglück" über John Cages wunderbare Werkgruppe "Über die Oberfläche" bis zur "Bibliothek im Eis" von Lutz Fritsch und Farbspielen von Peter Tollens reicht das Spektrum. Was das mit "denken" zu tun hat? Darüber kann man in Kolumba schön nachdenken.« (Thomas Klieman, Reine Vernunft ist ungenießbar, General-Anzeiger Bonn, 15.9.2011)

»Einmal im Jahr wechselt die Ausstellung, in der ausschließlich die eigene Sammlung in einer speziellen Auswahl vorgestellt wird.[…] Mit einem kleinen (kostenlosen) informativen Heftchen, das die Beschriftung bei den Objekten ersetzt, begibt sich der Besucher auf Entdeckungstour mit etlichen Höhepunkten. Dazu gehört unbedingt die raumfüllende DVD-Doppelprojektion 'In stillen Teichen lauern Krokodile', in der Marcel Odenbach das fragile Zusammenleben von Tätern und Opfern nach dem Völkermord in Ruanda subjektiv dokumentiert. Im nächsten Raum stehen Tierfiguren von Erich Bödeker und ein bestickter Altarbehang aus dem 14./15. Jahrhundert, auf dem ein Einhorn nach der Jagd seinen Kopf der Jungfrau Maria zuwendet, gegenüber. […] Manos Tsangaris baute seine Installation, in der eine Person im Zentrum sitzt, als 'Low-Tech-Maschine' für eine spielerische und unmittelbare Perspektive zwischen Innen und Außen. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zum Schmuckfußboden aus der Zeit zum 1220. Das im Mittelalter geläufige Kosmosbild aus der Pfarrkirche in Oberpleis setzt Mensch, Zeit und Welt zueinander in Beziehung. Kolumba ist ein meditativer, ein poetischer Ort geblieben.« (Gudrun von Schoenebeck, General-Anzeiger Bonn, 13.11.2008)

»Wohl kaum ein sakrales Kunstwerk zieht – zumindest im Rheinland – so viel Bewunderung auf sich wie das gut lebensgroße Tafelbild 'Die Muttergottes mit dem Veilchen'. Seit 1854 wird es als Dauerleihgabe des Erzbischöflichen Priesterseminars Köln im 1853 gegründeten Diözesanmuseum bewahrt. Auch im Neubau des inzwischen Kolumba genannten Museums nimmt es einen prominenten Platz ein. Doch erst jetzt widmet Ulrike Surmann, Kunsthistorikerin im Team des Instituts, der spätmittelalterlichen Kostbarkeit die (so die Autorin) 'überfällige' Monographie. Darin berücksichtigt sie alle kunsthistorischen und hermeneutischen Aspekte, die das Gemälde über den unvergleichlichen Liebreiz von Mutter und Kind hinaus erschließen. Ganzseitige Farbfotografien erleichtern das Verständnis der Interpretation.« (Angelika Storm-Rusche, General-Anzeiger Bonn, 9.8.2008)

»Es spricht, ja, es strahlt geradezu die Freude über den Neubau von Kolumba in Köln aus dem Text, den die Kunsthistoriker des Hauses in ihrem opulenten Band 'Auswahl eins' voranstellen. Schon sein Titel 'Eine Heimat für die Kunst' besagt, dass es darin zunächst viel mehr um das Museum als um die Konzeption des Auswahlbandes geht.… Dieses Museum ist ein Füllhorn letztlich philosophischer Herangehens- oder Betrachtungsweisen. Angesprochen wird in diesem Institut der Betrachter als individueller Partner der Kunst.… Eine 'Leseanleitung' wie man sie sonst durchaus in Katalogen, selbst in wissenschaftlichen, findet, fehlt allerdings; und auch auf die Form der Gliederung gehen die Autoren nicht ein – ebenso wenig wie auf die den Kapiteln voran gesetzten teilweise sehr eigenwilligen Wort-Dreiheiten: beispielsweise 'Zeichen Bewusstsein Tradition' oder 'Kosmos Verwandlung Zeit' oder 'Beziehung Gestalt Widerstand'. Nicht immer erschließt sich der Sinn dieser Begriffe durch die ihnen zugeordneten Kunstwerke, zumal sie – wie in den Schauräumen selbst – häufig in Inhalt, Stil und Datierung Kontraste darstellen.… Sie alle führen heterogene Werke der sakralen und profanen Kunstgattungen sowie des Designs von Gegenständen der Alltagskultur zusammen. In unterschiedlicher Dichte sind einzelnen Objekten oder Objektgruppen erklärende Texte zur Seite gestellt. Sie insbesondere werden dem Leser und Betrachter des Buches zugute kommen, denn sie liefern – nun tatsächlich gut lesbare – wissenswerte historische und kunsthistorische Informationen. Davon setzen sich in besonderem Großdruck Zitate wiederum sehr unterschiedlicher Herkunft ab, die nun weniger erläutern als erbauen oder gar – wie die Worte von Rose Ausländer – emotional bewegen und vielfach eine poetische Ebene berühren. Sie bestätigen aufs Neue den ästhetischen Anspruch des Kolumba-Teams, der selbstredend auch in den zumeist farbigen Abbildungen erfüllt wird. 'Auswahl eins' ist ein anspruchsvolles, man möchte fast sagen, elitäres Buch.« (Angelika Storm-Rusche, Alles Spaßkunst, oder was?, in: General-Anzeiger Bonn, 15.12.2007).

»Köln hat einen neuen Ort der stillen, spirituellen Einkehr, der Meditation. Besser gesagt: gleich mehrere. Hat man einmal das gläserne Portal von Kolumba, dem Kunstmuseum der Erzdiözese Köln durchschritten, befindet man sich bereits in einer anderen Welt.… Wie gut Zumthors Bau funktioniert, zeigt die Premierenausstellung, die das Kolumba-Team mit eigenen Beständen bespielt. Museumschef Joachim M. Plotzek und seine Mitarbeiter haben über Jahre noch im alten Domizil am Roncalliplatz ausprobiert, wie man etwa mittelalterliche Monstranzen und Madonnen mit August Macke, Joseph Beuys, Leiko Ikemura oder Rebekka Horn zusammenbringen kann. Das neue Haus lebt nun von solchen Kontrasten… Das Zusammenspiel von Architektur und Kunst ist perfekt… Wer Trost sucht, hier wird er ihn finden.« (Thomas Kliemann, Andy Warhol und der Schmerzensmann, General-Anzeiger Bonn, 14.9.2007).

»Versammmlung der Hausgötter. Das Kölner Museum Kolumba besitzt die größte Sammlung von Werken der Japanerin Leiko Ikemura - und zeigt sie in einer facettenreichen Retrospektive« (General-Anzeiger Bonn, 26.10.2005
 
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»Abseits liegt ein schwarzer Fußball. Im Kreis stehen 13 Tänzer. Ihre Bewegungen sind minimalistisch. Mal eine Handdrehung, mal verändern sich die Kopfneigung, das Standmotiv. Es gibt fließende und ruckartige Verläufe, alles geschieht weitgehend fast synchron, die Kreisformation wird gehalten. Bis nach einer halben Stunde der Kreis explosionsartig gesprengt wird, alle auseinanderstieben. Bis auf einen Tänzer, der wilde Pirouetten und gestische Bewegungen vollführt und dann den Ball gekonnt in die Zuschauer pfeffert. | Das ist nur eine willkürliche Episode aus „Dark Red“, einer Choreografie, die die Belgierin Anna Teresa de Keersmaeker eigens für ihre Compagnie „Rosas“ und das Kölner Museum Kolumba entwickelt hat und bis Ende der Woche täglich von 12 bis 17 Uhr fortlaufend präsentiert. Der Besucher kann wann immer er will einsteigen und aussteigen, nach eigenem Plan durch den zweiten Stock des leeren Museums laufen, dabei den gehauchten, pulsierenden, atmenden Tönen der Querflöte lauschen, die aus einem Eckturm des Museums erklingen. Eine Komposition von Salvatore Sciarrino. | „Tanz ist Bewegung in Zeit und Raum“, diese klare Definition erweitert die Choreografin um einen Dialog mit Architektur, Musik und Kunst. Wobei Peter Zumthors fantastische Architektur zusammen mit den Tänzern die Hauptrolle spielt. Man kann sich gar nicht sattsehen an den Proportionen der Räume, der Rolle des natürlichen Lichts, dem betörenden Umgang mit Materialien, sei es der helle Jurakalk oder Terrazzo, die mit den Beton- und Lehmputzwänden korrespondieren, seien es die wunderbaren Handläufe aus Holz. | Keersmaeker, die mit ihren Tanzprojekten ein häufiger Gast im Rheinland ist, war ganz hingerissen von Kolumbas Strenge und Nüchternheit, als sie das Museum erstmals besuchte, von der großen Form und den vielen Details, vom Grundriss. Als dann das Projekt der Choreografin in Kooperation mit Kolumba und der Kuratorin Barbara von Flüe sowie tanz.köln und der Kulturmanagerin Hanna Koller Gestalt annahm, wuchs die Rolle der Architektur: „Man kann dieses Gebäude lesen“, sagt sie, „man braucht Zeit, um sich diesem Raum zu nähern, ihn zu atmen“. Nichts anderes machen ihre Tänzer in dem Stück „Dark Red“, Keersmaekers erste Choreografie, die sie exklusiv für ein Museum konzipiert hat. | Eine besondere Choreografie hat sich auch Kolumba-Chef Stefan Kraus mit seinem Team einfallen lassen, um das Publikum auf den Tanz einzustimmen. In einer sparsam bestückten Schau in der ersten Etage zeigt er eine Reihe von Arbeiten, die Bewegung im Licht sowie starke Emotionen thematisieren. Die Auswahl hat Keersmaeker aus den Beständen des Museums zusammengestellt. Jan von Ijkens Video eines Vogelschwarms „The art of flying“ gehört da ebenso dazu wie die irritierende Dreifaltigkeit aus dem 17. Jahrhundert, ein Heiliger mit drei Nasen, drei Mündern und vier Augen als Verkörperung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. | Weitere Exponate: Die Ikone mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts, Simon Trogers Statuette des Heiligen Michael im Kampf mit dem Teufel, die ein eindrucksvolles Schattenspiel an die Wand wirft, oder ein abstraktes Werk von Josef Albers, „grey and green against large brown“. Die aufschlussreiche Auswahl der Choreografin kulminiert in einem eindringlichen Kommentar: Man sieht in einem nahezu dunklen Raum den Schäden aus der Mappe „Der Krieg“ von Otto Dix, dazu erklingt Paul McCartneys Beatles-Song „Blackbird“, der gleichermaßen Unruhen in den USA im Frühjahr 1968 sowie die Reaktionen der Bürgerrechtsbewegung zum Inhalt hat, wie die Musik Bachs, dessen Bourrée in e-Moll McCartney inspirierte. | Während Keersmaeker hier einige Hinweise gibt, die sie um eigene Zeichnungen erweitert, die die Geometrische Struktur ihrer Choreografien veranschaulichen, wird sie im zweiten Stock von Kolumba noch deutlicher. Da liegen unter bunten Tüchern die Reproduktionen von zwölf Aposteln von El Greco aus Toledo. Sowohl die Tücher als auch die manierierten Handhaltungen, Körperdrehungen und Kopfneigungen, die Gesten und Affekte, wird man später bei den Tänzern wiederentdecken. | Die Choreografie „Dark Red“ ist die Eröffnung der Jahresausstellung von Kolumba. Bis zum 4. November kommen wöchentlich Beiträge dazu, sodass sich das Haus allmählich mit Kunst füllt. Auch weitere Aktivitäten zum Thema Tanz sind geplant. Die äußerst gelungene Ouvertüre macht neugierig auf den Rest. (Thomas Kliemann, Der mit der Architektur tanzt. Museum Kolumba eröffnet seine Jahresausstellung mit Anna Teresa de Keersmaeker und KunstGeneral-Anzeiger, 15.9.2020)

»Die "Vier Gekrönten" haben das Haus verlassen, auch das Elfenbeinkreuz und Lochners Veilchenmadonna fehlen. Kunstraub in Kolumba? Mitnichten. Vielmehr feiert das Kölner Diözesanmuseum (Kolumbastraße 4) seinen zehnten Geburtstag vom 19. bis 21. August bewusst im (fast) leeren Gebäude. Direktor Stefan Kraus hofft, "dass sich viele Besucher an das erinnern, was hier in zehn Jahren passiert ist, dass somit vor dem geistigen Auge Schicht für Schicht ein imaginäres Museum entsteht". Dieses Privileg ist sonst ihm und seinen drei Mitkuratoren vorbehalten, "wenn wir nach dem Abbau der alten Jahresausstellung die neue Schau in die leeren Räume denken". Deren sanfter Sog wird nun besonders spürbar, denn mit viel Gefühl für rhythmische Harmonie hat Architekt Peter Zumthor hohe Turmräume, Kabinette und Säle komponiert, wobei letztere mit raffinertem Wandüberschneidungen Neugier auf den nächsten Raum wecken. "Die Entscheidung für den lichtgrauen Lehmputz an den Wänden war genau richtig", resümiert Kraus. Zwar sind Dübellöcher dezent sichtbar, doch muss eben nicht nach jeder Schau gestrichen werden. Das Team arbeitet stets mit dem puren Gebäude, ohne Zwischenwände, "und ich hoffe, dass jede Ausstellung zeigt, wie sehr wir dieses Haus lieben". Noch immer sucht man "für jedes Werk den besten Ort". Wobei ja nicht nur das Haus etliche Architekturpreise bekam. Als es 2013 vom Internationalen Kunstkritikerverband zum "Museum des Jahres" gekürt wurde, galt dies auch dem immer wieder aufregend neu arrangierten Zusammenspiel von sakraler und profaner, alter und zeitgenössischer Kunst. Kraus ist Kardinal Meisner dankbar. Für Kraus ist nicht die Zahl "von zuletzt stabil etwa 55 000 bis 60 000 Besuchern pro Jahr" entscheidend, "sondern welche Intensität wir ihnen bieten können". Auch aus Gesprächen weiß er, "dass hier schon mit den Mitteln eines Kunstmuseums Seelsorge stattfindet". Nach wie vor sei man Kardinal Meisner dankbar, "der natürlich erkannt hat, dass hier nicht jedes Werk seinem Kunstgeschmack entsprach, der jedoch uns Kuratoren vertraut hat". Kraus ist seit 26 Jahren im Diözesanmuseum tätig (seit 2008 als Direktor). Und er erinnert sich, dass zentrale moderne Stücke von Rebecca Horn, Richard Serra und vor allem Jannis Kounellis' "Tragedia Civile" in der Vorbereitungsphase der 90er Jahre erworben wurden. Heute ist der vom Erzbistum Köln bewilligte Ankaufsetat niedriger, doch in zehn Jahren Kolumba kamen auch mit Sponsorenhilfe etwa Michael Buthes documenta-Raum, der Heilig-Geist-Altar und Klangkunst von Bernhard Leitner hinzu. Der nachhaltige Umgang mit der Sammlung ist seit der Eröffnung am 14. 9. 2007 oberstes Gebot in diesem "Museum der Nachdenklichkeit" – nicht der Langeweile. Schon zur Hälfte der Jahresausstellung lädt man Künstler zu Interventionen ein. Überhaupt soll Kolumba "Werkstatt, Büro, Labor" sein, was sich auch im Jubiläumsprogramm spiegelt. Eric Hattan, Marek Poliks und Eva Kot'átková mit den mental behinderten Künstlern von KAT 18 bringen an drei Orten Leben ins ungewohnt kahle Interieur. Außen ist an der Westfassade scheinbar Christo tätig gewesen, doch die verhüllende Plane schützt tatsächlich die allzu durchfeuchtete Wand. "Das stört uns natürlich", sagt Stefan Kraus, doch die sorgfältige Prüfung der besten Lösung ist man dem besonderen Reiz des "Kolumba-Steins" schuldig. Innen freilich bleibt das nur 14 Köpfe zählende Team seiner Maxime treu: Nicht auf das zu schielen, was dem Publikum gefallen könnte, "sondern die Werke unserer Sammlung immer neu zum Klingen zu bringen". Und Poliks Raumschiff sieht man dabei durchaus als Ansporn zum Flug in neue Sphären.« (Hartmut Wilmes, Zauber der Leere, General-Anzeiger, 19.8.2017, Quelle: http://www.rundschau-online.de/28195330 ©2017)

»Sie sind wirklich nicht schön, die vier Kölner, die da im Halbkreis stehen, einander zugewandt oder ziemlich abweisend. Sie sind nicht schön, waren aber höchst bedeutsam und sind es wieder. „Die Vier Gekrönten“, eine Gruppe von jeweils rund 40 Zentimeter hohen, farbigen Sandsteinstauetten sind die Entdeckung der mittlerweile zehnten Jahresausstellung in Kolumba, dem Museum des Kölner Erzbistums. Denn nach sieben Jahren Restaurierung zeigen die um 1445 vermutlich von dem Kölner Bildhauer und Dombaumeister Konrad Kuyn geschaffenen Patrone der Steinmetze und Bildhauer endlich ihr wahres Gesicht. | In mühevoller Kleinarbeit wurden Verschmutzung und nachträgliche vereinheitlichende Farbschichten entfernt und wurde die originale Farbigkeit freigelegt. Eine Überraschung: Die Vier sind, dem Stand von Bauexperten und Spezialisten im Mittelalter angemessen, prächtig gekleidet, haben einen sehr lebendigen, frischen Teint und durchaus individuelle Gesichtszüge. Was sie zu Stichwortgebern der Jahresausstellung macht. Denn es geht um das Individuum. | Im Entree empfängt eine Armada bunter Spielzeugroboter den Besucher, was Kolumba-Chef Stefan Kraus gar nicht lustig findet, sondern als Metapher für eine Welt sieht, in der Roboter, künstliche Intelligenzen, Algorithmen und dergleichen mehr die Individualität verdrängen, die Freiheit einschränken. Es sei eine politische Ausstellung, meint er, die unter einer Fragestellung stehe: „Welches Gegenbild empfiehlt die Kunst von dem, was Menschsein heißt?“ Politik hin, Politik her, Kolumba demonstriert erneut große Klasse und belegt ihre originelle Sonderstellung im Konzert der Kunstmuseen. | Wobei die alte Kunst diesmal besonders begeistert. Nicht nur die wiederentdeckten Vier von der Dombaustelle setzen ein Ausrufezeichen, es sind vor allem die 25 Figuren aus dem Bogen des Petersportals vom Kölner Dom, die man so noch nicht gesehen hat. Sie haben die starre Ordnung und Hierarchie des Portals verlassen und sind im größten Raum von Kolumba so arrangiert wie in einzelnen, lockeren Gesprächsrunden. 1978 wurden diese Originale durch Kopien ersetzt und in der legendären Parler-Ausstellung im Museum Schnütgen präsentiert. Meisterwerke der Bildhauerkunst des späten 14. Jahrhunderts von Heinrich Parler und Kollegen: Auge in Auge kann man diese sehr individuellen Menschenstudien nun bewundern. Begeisternd auch eine vieräugige, alienhafte Dreifaltigkeit des Barock, die im Ostturm auf Chris Newmans eigenwillige Kopien etwa von Mark Rothko und Philip Guston treffen. | Newman ist einer von drei eingeladenen Künstlern, die die Schau bereichern. Kurt Benning breitet zum einen seine bizarre Recherche über das Leben und die Hinterlassenschaften eines Einzelgängers aus, zum anderen stellt er eine Auswahl seiner spannenden Videoporträts interessanter Zeitgenossen vor. Unbedingt sehenswert. Martin Assig schließlich zeigt 94 Blätter, die zwar Paul Klee gewidmet sind, jedoch mit eindringlichen symbolhaften Motiven und knappen Botschaften obsessiv um Assigs Innenwelt kreisen. | Verblüffende Parallelen tun sich auf zwischen Assigs Bildmeditationen und Andachtsbildchen vom Barock bis heute sowie der „Lauretanischen Litanei“, ein 56-teiliges Kupferstichwerk von 1781. Aus Zeit und Raum gefallen wirkt die „Cella mit Küchenbaum“ des Kölners Stefan Wewerka, eine witzige, verwinkelte Wohnlandschaft auf engstem Raum. | Die Ausstellung schwenkt mit diesem gebauten Traum wieder auf das Thema Individuum ein. Fast bis zur Decke breitet sich im Südturm ein kanonisches Tableau aus 71 Tellern von Bernhard Johannes Blume aus, Worte wie „Reine Vernunft“, „abstrakt“, „Seele“ und „Amen“ sind zu lesen. Gegenüber steht ein prächtiger Nürnberger Altar des 15. Jahrhunderts, der das Wertegefüge jener Zeit ikonografisch delikat in Bildern auffächert. | Zwei Höhepunkte dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung, die nur einen Schwachpunkt hat: Im Jahr, in dem Jannis Kounellis 80 wird, gerät dessen goldene Wand mit Hit und Mantel „Tragedia civile“ zur Tragödie. Denn Chris Newman verstellt sie vollständig mit einer Arbeit, die als Hommage gedacht ist. Grobes Foul, rote Karte!« (Thomas Kliemann, Entdeckungen nach Restaurierung, in: General-Anzeiger, Bonn, 14.9.2016)

»In der aktuellen Ausstellung des Kölner Museums Kolumba hängen zwei rote Bilder von Peter Tollens, die nicht nur 20 Jahre trennen, sondern auch die Gewissheit, dass Rot Rot ist. So wie es über hundert Nuancen von Weiß gibt und unzählige Beschaffenheiten von Schnee, ist auch die Farbbezeichnung in Tollens' Malerei eine vage Angelegenheit. Eine geradezu jugendliche Geste prägt das ältere Rot-Bild aus den 1980er Jahren, während das jüngere konzentrierter, komplexer, auch kontrollierter wirkt. Die kunstgaleriebonn setzt den in Kolumba begonnenen Dialog fort, indem sie das Spektrum auffächert, den im August 60 gewordenen Kölner Maler breit präsentiert. | Wobei die spannende Gegenüberstellung aus Kolumba fortgesetzt wird. Geste und eine gewisse - jugendliche - Unruhe treffen auf kompakte Aussage, der Glanz der mehr oder weniger pastos aufgetragenen Farbe ist einer eher stumpfen, bisweilen schrundigen Oberfläche aus kostbaren Farbpigmenten gewichen. Zur Farbdiskussion, die Tollens noch immer leidenschaftlich führt, ist neuerdings die intensivere Debatte über das Malmaterial gekommen. | Tollens freilich ist ein Maler, der sich derlei Überlegungen erfreulich unakademisch, vielmehr geradezu emotional hingibt. Ein gerade vollendetes Bild wie "Grüngraurosaorange" führt die genannten Farben spielerisch zusammen, wobei sich eine gleichsam vibrierende graue Farbmembran über das quirlige Treiben der Pigmente legt, ohne das pulsierende Mit- und Gegeneinander letztlich kaschieren zu können. Und zu wollen. | Die überaus anregende Tollens-Ausstellung wird um eine Facette bereichert. Es ist eine Premiere: Denn Tollens hat, was kaum bekannt ist, neben dem "offiziellen" abstrakten, mehr oder weniger monochromen Farbwerk ein privates Werk geschaffen, das nun erstmals in einer Ausstellung gezeigt wird. Tollens, der Naturfreak, wandert gerne, liebt die Natur, hat dieser mit herrlichen kleinen Landschaftsbildern ein Denkmal gesetzt. Parallel entstehen also Eifelansichten, "Hohe Acht" oder "Am Niederrhein" und Bilder wie "Mattblau" oder "Dunkelgrün-Permanent Rot Dunkel-Indisch Gelb". Wer vermutet, dass beide Werkkomplexe viel mehr miteinander zu tun haben, als es zunächst den Anschein hat, liegt richtig.« (Thomas Kliemann, Rotgefühl und Eifelblick. kunstgaleriebonn widmet dem Kölner Maler Peter Tollens eine Ausstellung, in: General-Anzeiger Bonn, 25.10.2014)

»Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, hat daraus eine bemerkenswerte Ausstellung macht, die das Thema vom vermeintlich trivialen Kistchen bis zum erhabenen Schrein, vom pragmatischen Produktdesign bis zur Hochkunst, vom Witz bis zum spirituellen Erlebnis ausbreitet. Man ist geübt darin: Das Museum Kolumba, das sich einmal im Jahr "häutet", die eigene Sammlung neu befragt und in der Regel bis zu 90 Prozent neue oder neu arrangierte Stücke präsentiert, hat sich 2011 der Liturgie, ein Jahr später der Eucharistie gewidmet und präsentiert jetzt eine glänzende Schau zum Thema Schrein und das Verborgene. Man muss bei dieser Ausstellung mit dem Höhepunkt beginnen, denn dieser Raum ist ein Ereignis, lohnt allein bereits den Besuch im Zumthor-Bau: Vier strahlende mittelalterliche Schreine, fein ziselierte, mit Ornamenten und Edelsteinen verzierte Reliquienbehälter in Haus- oder Truhenform, dominieren den Raum, an den Wänden hängen vier abstrakte Gemälde in Schwarz-, Grau- und Erdtönen, übersät von fein gestrichelten Bändern oder Streifen, die übereinander gestaffelt die Leinwand füllen und die Anmutung von weich fließendem Samt haben. Die 1937 in Kansas geborene Malerin Max Cole begegnet mit ihren faszinierenden Bildern vier Schreinen, Hauptstücken aus dem weltberühmten mittelalterlichen Kirchenschatz der Gemeinde St. Servatius in Siegburg. Dass die in der katholischen Kirche in der Tat existierende "Schreinskommission" die Reise dieser unschätzbar wertvollen Stücke ausnahmsweise erlaubte, ist der Restaurierung von St. Servatius und dem Renommee von Kolumba geschuldet. Seit Juni wird in Siegburg gebaut. Nun stehen der wunderbare Anno-Schrein (um 1183), ein Vorläufer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom, der Benignus-Schrein (um 1190), der Honoratus-Schrein (13. Jahrhundert) sowie der dem Apollinaris, Alexius und Wunibaldus gewidmete Schrein des Hermann von Aldendorp (1446) im Raum. Extrovertierter, strahlender Prunk und christliche Ikonografie des Mittelalters auf der einen Seite, Innerlichkeit, Konzentration und Kontemplation unserer Tage auf der anderen. Zwei Aspekte spiritueller Versenkung - und Verhüllung. Max Cole, die von der kunstgaleriebonn vertreten und immer wieder präsentiert wird, hat hier ihre erste Museumsausstellung in Deutschland, ab kommende Woche ist sie auch in der Kölner Kunststation St. Peter zu sehen. Alle Wege in Kolumba führen auf den Schrein-Raum zu. Ein Weg etwa verläuft über kunstvolle Kistchen, dem rostigen, gleichsam gesprengten "Sicherheitsschrank" von Felix Droese, Thomas Rentmeisters schokoladenbraunem geschlossenen Container mit Ventilator, Reliquienbehältern und und einem Apple-Monitor von 1990 bis zu einem Radio-Phono- "Schneewittchensarg" (Braun) von Dieter Rams und Kurt Bennings Videoarbeit "Hinterlassenschaft - Ein deutsches Erbe". Da wird mit monotoner Stimme das Inventar einer Wohnung heruntergelesen. Es ist das, was von der Existenz übrig bleibt. Ein anderer Weg folgt dem Strang der Malerei, fahndet auch dort nach dem Verborgenen, dem Irrationalen. Man trifft auf übellaunige Schweine - wohl die von Kirke verzauberten Gefährten des Odysseus -, die in Christa Nähers riesigem Bild einem Gehäuse gegenübersehen, das ein Schrein oder auch das Tor in die Unterwelt sein könnte. Ein Miniformat von Alexej von Jawlensky gibt Rätsel auf: Es könnte ein Gesicht darstellen oder auch den Ausblick in eine diffuse Landschaft. Das Bild verhält sich hier wie ein Schrein, es aktiviert die Fantasie, reizt zur Spekulation über das Verborgene. Mit Gerhard Altenbourg, Raimund Girke und Rudolf de Crignis bietet dieser Weg weitere Attraktionen. Er führt zu Stefan Lochners wunderbarer "Madonna mit dem Veilchen". Auch da lässt sich immer wieder Neues entdecken. Schließlich gibt es auch dort eine Zone, die dem Augen des Betrachters verborgen bleibt.« (Thomas Kliemann, Kunst trifft auf den Siegburger Kirchenschatz, General-Anzeiger Bonn, 14.9.2013)

»Ob denn im Umkehrschluss Liturgie auch Kunst sei, wurde Stefan Kraus vom Kolumba-Leitungsteam bei der Pressekonferenz gefragt. Schmunzeln. Das zu beantworten, werde die Ausstellung ein Jahr lang versuchen. Passend zum Titel hat man Paul Thek, einen der Stichwortgeber der documenta 5, die unter dem Oberbegriff "individuelle Mythologien" stand, in den Mittelpunkt gerückt. Seit Jahrzehnten schon verfolgt das Kölner Diözesanmuseum, das sich seit 2007 Kolumba nennt, das Werk dieses 1988 gestorbenen Künstlers. Das Haus besitzt die weltweit größte Sammlung von Thek-Werken. Flankiert von einem exzellent gemachten Bestandskatalog werden sie nun zum Großteil präsentiert. Nicht en bloc, sondern nach Art des Hauses im anregenden Dialog mit Zeitgenossen, jüngeren Künstlern, alter christlicher Kunst und Gerät aus dem sakralen Bereich. Theks blutige, aufgebrochene Leiber, die liegenden oder von der Decke an einem Tisch gefesselt hängenden "Schmerzensmänner", die reliquienhaften Stücke bieten sich geradezu an, mit Kruzifixen, Monstranzen und spätgotischen Heiligenbildern in einen Diskurs zu treten. Thek pflegte eine prozessuale Arbeitsweise. Viele Werke kann man sich noch heute eingebunden in Aktionen und Performances vorstellen. 1968 fügte sich etwa seine Installation "A Procession in Honour of Aesthetic Progress" zusammen, ein Ensemble aus potenziell tragbaren Gerätschaften, angelehnt an Erfahrungen, die der Amerikaner bei einem Festumzug in Sizilien machte: Christliche Prozession und Karnevals-Klamauk gehen hier ineinander über. Wenn das nicht nach Köln passt. Theks "Procession" ist im Armarium, der Schatzkammer, untergebracht, die sonst die goldenen Monstranzen beherbergt. Das durch Thek eingeführte Motiv der Prozession prägt die gesamte Jahres-Schau von Kolumba: Rebecca Horn etwa bewegt sich im Video mit ihren "Extensions", krallenartigen Fingerverlängerungen, Flügeln oder einem Konus auf dem Kopf; Jürgen Klauke fliegt in der Fotoserie "Daseinsrenovierung" durch die Luft, löst sich in einem gleißenden Lichtnebel auf. Die Prozession durch den immer wieder faszinierenden Zumthor-Bau, der einzig bei der Beleuchtung große Schwächen hat, führt zu etlichen Überraschungen jenseits von Theks breit gestreutem Werk: Da bilden ein gotischer Palmesel von St. Kolumba, ein rheinisches Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert, barocke Passionsfahnen und eine wunderbare frühe Klanginstallation von Manos Tsangaris (1982) ein spannendes Ensemble. Der Maler Herbert Falken ist mit drei Werkgruppen vertreten, darunter Studien zu Michelangelos Pietà Rondanini. Wie ein Fries legen sich die großen Blätter um das geistige Zentrum der Schau, die vergoldete Monstranz aus St. Kolumba (um 1400). Nicht weit davon entfernt: ein "Meatpiece" von Thek aus Wachs, ein großes, blutiges Stück Fleisch, auf dem sich Schmetterlinge niedergelassen haben. Man muss nicht jede Korrespondenz in dieser Schau verstehen. Höhepunkt ist sicherlich die Rauminstallation "Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit", Michael Buthes letzte große Arbeit. Bei der documenta IX (1992) war das Ensemble zu sehen. Seit kurzer Zeit gehört das mit spiritueller Kraft aufgeladene Werk des 1994 in Bad Godesberg gestorbenen Kölner Künstlers - 14 im Dunkeln schimmernde Kupferplatten mit figürlichen Gravuren und ein riesiger Leuchter mit zwei vergoldeten Holzskulpturen - dem Museum. Nicht ganz, wie man anmerkt, das Ensemble aus dem Nachlass ist noch nicht völlig abbezahlt. Der fehlende Financier wird sich sicherlich finden. Buthe allein ist schon den Besuch in Kolumba wert. Dort ist nun bereits zum sechsten Mal ein hochkarätiger, anregender und denkwürdiger Parcours gelungen.« (Thomas Kliemann, Das Motiv der Prozession prägt die Kölner Ausstellung, General-Anzeiger, Bonn, 15.9.2012)

»Der Kampf des Mannes gegen den kleinen weißen Quader scheint aussichtslos zu sein: Er wendet ihn, dreht ihn, versucht ihn schließlich zu verschlingen. Hektisch verwackelte Fotos dokumentieren das verzweifelte Ringen von Bernhard Johannes Blume mit dem Artefakt. Was der unlängst verstorbene Querdenker damit sagen wollte? Präzise formuliert er es in der Bilderstrecke. Damit's auch jeder begreift steht daneben: "Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar." Das Kölner Museum Kolumba hat Blumes kleine Arbeit gleich an den Anfang der neuen Ausstellung ins Treppenhaus gehängt: Sie soll zeigen, dass "denken", so der Titel der Schau, nicht bierernst sein muss. Einer schönen Tradition folgend schließt das Museum Anfang September zwei Wochen, um sich anschließen neu sortiert, verwandelt zu präsentieren. Das Motto der inzwischen 5. Verwandlung heißt also "denken". Das Thema wird in allen erdenklichen Facetten durchdekliniert, wobei gleich zu Beginn Monika Bartholomé im Video eine für Künstler fundamentale Frage stellt. Da zeichnet eine Hand. Folgt sie dem Denken oder befördert sie das Denken? Oder verarbeitet sie Wahrgenommenes parallel mit dem Denken? In einem grandiosen Parcours wühlt sich Kolumba ins Thema hinein, geht mit einem Zyklus von Rune Mields unter dem Oberbegriff "Steinzeitgeometrie" zu den Ursprüngen der Zeichen zurück, um sich dann dem weiten Feld christlicher Symbolik zu nähern und schließlich zu Zeichen-Systemen zu gelangen, die die Welt erklären. Eindrucksvolles Beispiel ist der aus Fragmenten bestehende Schmuckfußboden aus St. Pankratius in Oberpleis (13. Jahrhundert), der dem Menschen seinen Platz im christlich-antiken Kosmos zuweist. Nicht weit davon erzählt ein Blockbuch aus dem 15. Jahrhundert, das durch die Sammlung Renate König ins Haus kam, von der Kunst des Erinnerns. Hoch komplizierte Piktogramme erläutern in diesem Buch über die Kunst des Erinnerns, von dem nur noch zwei Exemplare auf der Welt existieren, Zusammenhänge der Evangelien. Ein hundert Jahre später gemaltes Werk führt die "Arma Christi", die Leidenswerkzeuge der Passion, in authentischer Größe vor. Kolumba bietet faszinierende Denkräume wie den Südturm, der das Personal aus einem prächtigen Heilig-Geist-Altar aus der Mitte des 15. Jahrhunderts mit Bernhard Leitners "RaumReflexion" (2010) konfrontiert, die mittels Parabolschüsseln Klänge in den Raum schießt und gleichsam in der Luft zerplatzen lässt. Es gibt auch Denktische: Der Komponist Manos Tsangaris wird seinen "Implodierenden Schreibtisch" während der gesamten Ausstellungsdauer mit Material bespielen, Kolumba-Architekt Peter Zumthor zeigt auf einem anderen Tisch Skizzen zur Raumabfolge des in diesem Jahr mit den NRW-Architekturpreis ausgezeichneten Hauses. Er behandelt Räume wie Skulpturen, spielt mit ihnen, lädt sie durch Farbe emotional auf. Nichts anderes tut das Team von Kolumba mit seinen Ausstellungen. Brillant gelungen ist die Platzierung von Dieter Kriegs sechsteiligem Zyklus mit Riesenformaten, die mit großer Geste leere Weingläser zeigen und "In der Leere ist ist nichts" Wort für Wort aufscheinen lassen. Wird hier - stotternd - die Leere hinterfragt, arbeitet ein anderer Raum mit der Fülle der Eindrücke. Jannis Kounellis' "Bürgerliche Tragödie" mit Blattgoldwand, Öllampe und Garderobenständer bietet den Hintergrund für ein Feld von Altärchen und Devotionalien, die die private Frömmigkeit beleuchten. Von Konrad Klaphecks "Kleinem Liebesglück" über John Cages wunderbare Werkgruppe "Über die Oberfläche" bis zur "Bibliothek im Eis" von Lutz Fritsch und Farbspielen von Peter Tollens reicht das Spektrum. Was das mit "denken" zu tun hat? Darüber kann man in Kolumba schön nachdenken.« (Thomas Klieman, Reine Vernunft ist ungenießbar, General-Anzeiger Bonn, 15.9.2011)

»Einmal im Jahr wechselt die Ausstellung, in der ausschließlich die eigene Sammlung in einer speziellen Auswahl vorgestellt wird.[…] Mit einem kleinen (kostenlosen) informativen Heftchen, das die Beschriftung bei den Objekten ersetzt, begibt sich der Besucher auf Entdeckungstour mit etlichen Höhepunkten. Dazu gehört unbedingt die raumfüllende DVD-Doppelprojektion 'In stillen Teichen lauern Krokodile', in der Marcel Odenbach das fragile Zusammenleben von Tätern und Opfern nach dem Völkermord in Ruanda subjektiv dokumentiert. Im nächsten Raum stehen Tierfiguren von Erich Bödeker und ein bestickter Altarbehang aus dem 14./15. Jahrhundert, auf dem ein Einhorn nach der Jagd seinen Kopf der Jungfrau Maria zuwendet, gegenüber. […] Manos Tsangaris baute seine Installation, in der eine Person im Zentrum sitzt, als 'Low-Tech-Maschine' für eine spielerische und unmittelbare Perspektive zwischen Innen und Außen. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zum Schmuckfußboden aus der Zeit zum 1220. Das im Mittelalter geläufige Kosmosbild aus der Pfarrkirche in Oberpleis setzt Mensch, Zeit und Welt zueinander in Beziehung. Kolumba ist ein meditativer, ein poetischer Ort geblieben.« (Gudrun von Schoenebeck, General-Anzeiger Bonn, 13.11.2008)

»Wohl kaum ein sakrales Kunstwerk zieht – zumindest im Rheinland – so viel Bewunderung auf sich wie das gut lebensgroße Tafelbild 'Die Muttergottes mit dem Veilchen'. Seit 1854 wird es als Dauerleihgabe des Erzbischöflichen Priesterseminars Köln im 1853 gegründeten Diözesanmuseum bewahrt. Auch im Neubau des inzwischen Kolumba genannten Museums nimmt es einen prominenten Platz ein. Doch erst jetzt widmet Ulrike Surmann, Kunsthistorikerin im Team des Instituts, der spätmittelalterlichen Kostbarkeit die (so die Autorin) 'überfällige' Monographie. Darin berücksichtigt sie alle kunsthistorischen und hermeneutischen Aspekte, die das Gemälde über den unvergleichlichen Liebreiz von Mutter und Kind hinaus erschließen. Ganzseitige Farbfotografien erleichtern das Verständnis der Interpretation.« (Angelika Storm-Rusche, General-Anzeiger Bonn, 9.8.2008)

»Es spricht, ja, es strahlt geradezu die Freude über den Neubau von Kolumba in Köln aus dem Text, den die Kunsthistoriker des Hauses in ihrem opulenten Band 'Auswahl eins' voranstellen. Schon sein Titel 'Eine Heimat für die Kunst' besagt, dass es darin zunächst viel mehr um das Museum als um die Konzeption des Auswahlbandes geht.… Dieses Museum ist ein Füllhorn letztlich philosophischer Herangehens- oder Betrachtungsweisen. Angesprochen wird in diesem Institut der Betrachter als individueller Partner der Kunst.… Eine 'Leseanleitung' wie man sie sonst durchaus in Katalogen, selbst in wissenschaftlichen, findet, fehlt allerdings; und auch auf die Form der Gliederung gehen die Autoren nicht ein – ebenso wenig wie auf die den Kapiteln voran gesetzten teilweise sehr eigenwilligen Wort-Dreiheiten: beispielsweise 'Zeichen Bewusstsein Tradition' oder 'Kosmos Verwandlung Zeit' oder 'Beziehung Gestalt Widerstand'. Nicht immer erschließt sich der Sinn dieser Begriffe durch die ihnen zugeordneten Kunstwerke, zumal sie – wie in den Schauräumen selbst – häufig in Inhalt, Stil und Datierung Kontraste darstellen.… Sie alle führen heterogene Werke der sakralen und profanen Kunstgattungen sowie des Designs von Gegenständen der Alltagskultur zusammen. In unterschiedlicher Dichte sind einzelnen Objekten oder Objektgruppen erklärende Texte zur Seite gestellt. Sie insbesondere werden dem Leser und Betrachter des Buches zugute kommen, denn sie liefern – nun tatsächlich gut lesbare – wissenswerte historische und kunsthistorische Informationen. Davon setzen sich in besonderem Großdruck Zitate wiederum sehr unterschiedlicher Herkunft ab, die nun weniger erläutern als erbauen oder gar – wie die Worte von Rose Ausländer – emotional bewegen und vielfach eine poetische Ebene berühren. Sie bestätigen aufs Neue den ästhetischen Anspruch des Kolumba-Teams, der selbstredend auch in den zumeist farbigen Abbildungen erfüllt wird. 'Auswahl eins' ist ein anspruchsvolles, man möchte fast sagen, elitäres Buch.« (Angelika Storm-Rusche, Alles Spaßkunst, oder was?, in: General-Anzeiger Bonn, 15.12.2007).

»Köln hat einen neuen Ort der stillen, spirituellen Einkehr, der Meditation. Besser gesagt: gleich mehrere. Hat man einmal das gläserne Portal von Kolumba, dem Kunstmuseum der Erzdiözese Köln durchschritten, befindet man sich bereits in einer anderen Welt.… Wie gut Zumthors Bau funktioniert, zeigt die Premierenausstellung, die das Kolumba-Team mit eigenen Beständen bespielt. Museumschef Joachim M. Plotzek und seine Mitarbeiter haben über Jahre noch im alten Domizil am Roncalliplatz ausprobiert, wie man etwa mittelalterliche Monstranzen und Madonnen mit August Macke, Joseph Beuys, Leiko Ikemura oder Rebekka Horn zusammenbringen kann. Das neue Haus lebt nun von solchen Kontrasten… Das Zusammenspiel von Architektur und Kunst ist perfekt… Wer Trost sucht, hier wird er ihn finden.« (Thomas Kliemann, Andy Warhol und der Schmerzensmann, General-Anzeiger Bonn, 14.9.2007).

»Versammmlung der Hausgötter. Das Kölner Museum Kolumba besitzt die größte Sammlung von Werken der Japanerin Leiko Ikemura - und zeigt sie in einer facettenreichen Retrospektive« (General-Anzeiger Bonn, 26.10.2005